Türkei: Des Schäfers liebste Hunde

Kangalhund
   
Die Felder sind saftig grün, als warteten sie nur darauf, abgegrast zu werden. Auf der mittelanatolischen Hochebene beginnt der Frühling. In den Dörfern auf 2.300 Metern Höhe beginnt allgemeines Aufatmen, denn der harte Winter ist endlich vorbei. Bekir und die anderen Hirten können mit ihren Herden nun wieder auf die Weiden. Und die Hunde freuen sich darüber, dass sie nun wieder vor allen anderen frühstücken dürfen:

 

Ein Hirte erklärt den Grund: "Bevor ich selber etwas essen kann, muss ich die Hunde füttern, eigentlich gleich nach dem Aufstehen. Das ist sehr wichtig. Denn wenn die nicht rechtzeitig etwas zu fressen bekommen, gehen sie erst gar nicht mit der Herde auf die Weide."


 
Der Bestand der Kangalhunde ist bedroht
Welpe
   
Hirte Bekir lässt seinen Kangalhunden so manches durchgehen. Schließlich sind sie die verlässlichen Hüter seiner Herden. In ihrer Heimat werden die Hunde allerdings immer seltener. Aus aller Welt reisen Menschen an, um die niedlichen Welpen für bis zu 500 Euro zu kaufen. Die türkische Regierung denkt bereits über ein Ausfuhrverbot nach.

 

Doch Hirte Bekir glaubt nicht, dass das den Bestand auf der Hochebene langfristig retten wird. Denn: "Kangalhunde bekommen nur drei bis vier Welpen, das ist zu wenig, andere Hundearten bekommen bis zu neun."


 
Schafe melken ist Frauensache
Keine Nachwuchssorgen hat Bekirs Familie bei den Schafen. Doch noch bevor die mit Hirte und Hunden auf die Weiden ziehen, werden sie von den Frauen gemolken. Bis zu zehn verschiedene Käsesorten machen sie aus der Schafsmilch. Der Alltag der Hirtenfrauen hat einen unumstößlichen Zeitplan, dem sich Schafe und Lämmer fügen müssen: "Zuerst melken wir morgens die großen Tiere, erst dann dürfen die Lämmer ran und trinken. Danach packe ich das Essen für den Hirten ein. Wenn die Schafe später auf den Weiden sind, kümmern wir uns um die Lämmer," sagt eine Hirtenfrau.

 
Hirten sind Selbstversorger
Mittelanatolien
   
Hirte Bekir kann in der Zwischenzeit endlich selber frühstücken, in schweigsamer Männerunde ohne Zeitung oder Radio. Weit und breit gibt es keinen Supermarkt. Das Frühstück ist deshalb nicht sehr abwechslungsreich: Tag für Tag: Brot, Schafskäse, gefüllte Teigtaschen - mehr ist nicht drin. Dafür kommt alles aus eigener Produktion.

 

Nur das Nötigste wie Zucker, Tee und Tabak werden gelegentlich in größeren Mengen in der Stadt eingekauft und dann gleich für Monate gelagert. Alles andere, was Bekirs Familie zum Essen braucht, kommt von seinem Hof.


 
Kangalhunde kennen keine Angst
Hund auf Wache
   
Und wenn alle schließlich gefrühstückt haben, dürfen auch die Schafe ran. Auszug auf die Frühlingsweiden. Bekir und andere Hirtenfamilien mästen ihre Jungschafe von nun an bis zum Herbst und verkaufen sie dann als Schlachtvieh in der Stadt.

 

Zwar ist die Hochebene schier endlos. Trotzdem treffen regelmäßig Herden aufeinander. Und dann zeigen die Kangalhunde, was in ihnen steckt. Sie fletschen dann Zähne und sehen gar nicht mehr so niedlich aus. Ohne Angst vor fliegenden Steinen greifen sie die andere Herde an, um sie von der eigenen fern zu halten.


Hund
   
Hirte Bekir kann sich keine besseren Hunde für seine Herden vorstellen als seine treuen Kangals. Sie sehen alles, was den Schafen gefährlich werden könnte und vertreiben es. Nicht einmal vor Wölfen haben sie Angst, und von denen gibt es hier oben eine Menge.

 

Bekir schätzt seine Kangals sehr: "Diese Hunde muss man für ihre Aufgabe nicht einmal erziehen. Bereits im ersten Lebensjahr kennen sie schon alle Schafe des Hauses und lassen keinen fremden Menschen und keine fremden Tiere an sie heran."


 
Allabendliche Wiedersehensfreude
Zu Hause kümmern sich die anderen Familienmitglieder um den Haushalt. Die Frauen waschen mit dem Bergwasser die Wäsche. Und die Lämmer bekommen in ihren ersten Tagen eine besondere Pflege, denn in dieser Phase sind sie gegenüber Krankheiten besonders anfällig.

 

Auch der Mist der Tiere hat bei der Hirtenfamilie eine wichtige Verwendung. Er wird im Winter zum Heizen benutzt. Im Frühjahr und Sommer wird er daher breitgetreten, in die richtige Größe geschnitten, fein säuberlich gestapelt und getrocknet.

Die Sonne geht bald unter. Der Hirte Bekir kehrt mit seiner Herde heim. Die Mutterschafe wittern ihre Lämmer schon vor der Ankunft und stimmen an zu einem sehnsüchtigen Blöken.

Hungrig stürmen die Lämmer auf ihre Mütter zu, die den ganzen Tag über gegrast und nun prall gefüllte Euter haben. Die Muttertiere riechen ihren Nachwuchs. Und schon nach wenigen Augenblicken haben sich alle gefunden. Die laute Wiedersehensfreude geht über in ein wohlig-leises Schmatzen.

Der Kangalhund hat Feierabend, alle seine Schäfchen hat er heim gebracht. Und die werden nach dem Stillen noch einmal von den Müttern getrennt und in ihre Nachtquartiere geführt. Ein Tag aus dem Leben des Hirten Bekir ist vorbei. Morgen ist ein neuer Tag, der sich allerdings von dem heutigen kaum unterscheiden wird.

Kompletter Bericht mit Video:

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